Dr. Luigi Rovetta war ein Theoretiker von wissenschaftlichem Naturismus. 1920 gründete er in Ronco di Ghiffa, in der Parkanlage der Grafen Marocco, einen speziellen Ort, die Casa di cure naturali Dr. Luigi Rovetta. Dort konnten sich Patienten in einer unberührten Landschaft erholen und das richtige Gleichgewicht zwischen Körper und Umwelt wiederherstellen. Die Anlage, die über achtzig Zimmer mit fließendem Wasser umfasste, bestand aus einem modern ausgestatteten Kurgebäude. Die Aufbautherapie beruhte auf der Verabreichung von speziellen Kräutertees, Helio- und Hydrotherapie, Gymnastik, Schlammbädern sowie auf einer entsprechend abgestimmten Diät.
Die Werbung des Kurhauses auf dem Anlegesteg im Hafen Ghiffa
Der Eingang des Kurhauses auf einer alten Postkarte
Die Außenseite des Kurhauses mit der luftigen verglasten Loggia und der Terrasse
Im oberen Stock waren die Gästesäle. Über die Fenster und auf der Decke waren natürliche Szenen gemalt mit Landschaften, die den See, das Land und eine Blumenlaube darstellten. Die Wohnungen für die Gäste waren – wie es damals üblich war – im Blumenstil eingerichtet.
Ein Blick auf die innere Terrasse mit der Blauregenlaube.
Das Lobby mit der Treppe und dem schmiedeeisernen Geländer.
Der schöne Musiksaal mit dem Klavier.
Der elegante Speisesaal war mit Wandgemälden in den Deckenrosen und zwischen den Fenstern geschmückt.
Das kleine Oratorium des Kurhauses
Die Veranda und der weite Gang, mit Wandlampen und Heizung ausgestattet.
Der Park um das Kurhaus war etwa vier Hektar groß und erstreckte sich bis zu den Abhängen des Sacro Monte von Ghiffa. Vom Kurhaus konnte man einen wunderschönen Ausblick auf dem See genießen. Radmeister Fausto Coppi und Boxer Primo Carnera waren bei Dr. Rovetta zu Gast.
Die breiten Wege im Park sorgten für erholsame Spaziergänge
Zur Unterhaltung im Park gab es auch Bocciabahnen.
Vom Kurhaus genießte man einen wunderschönen Ausblick auf dem See
Die große Terrasse war mit Liegestühlen für die Heliotherapie ausgestattet.
Eine malerische Ecke der Terrasse mit Stühlen, Sitzbänken und einem kleinen Tisch.
Unter den Sonnenschirmen konnten Gäste die Zeitung lesen oder Karten spielen.
Nebst der konkreten Praxis war der Arzt auch Autor von mehreren Veröffentlichungen. Schon 1920 ließ er beim Verlag Almasio von Intra sein Vademecum per attuare a domicilio la cura depurativa e ricostituente della casa di cure naturali Dr. Luigi Rovetta (Ratgeber, um die Entschlackungs- und Aufbaukur des natürlichen Kurhauses Dr. Luigi Rovetta zu Hause umzusetzen) drucken und ab 1926 veröffentlichte er die Monatsschrift „Natura e scienza per la salute“ (Natur und Wissenschaft für die Gesundheit) sowie die „Rivista bimestrale della Casa di Cure“ (Zweimonatsschrift des Kurhauses). 1940 schrieb Rovetta auch Verso il naturismo scientifico (Zum wissenschaftlichen Naturismus) für den Verlag Airoldi, in dem er alle Kurverfahren darlegte, und 1944 veröffentlichte er Naturismo: cure naturali (Naturismus: Naturkuren), wiederum mit dem Verlag Airoldi.
Die beiden Bücher zeigten die mehreren praktischen Möglichkeiten der Naturkur. Rovettas Theorien waren innovativ und wurden auch von seinen damaligen Kollegen untersucht. Medizin, Gesundheitspflege und Nahrung waren die Schwerpunkte des Naturismus – einer Denkrichtung, die schon im 18. Jahrhundert verbreitet war. Laut belgischem Arzt Jean Baptiste Luc Planchon, der 1778 das Buch Le Naturisme ou la nature considérée dans les maladies et leur traitement conforme à la doctrine et à la pratique d’Hippocrate et ses sectateurs veröffentlichte, war Naturismus eine Lehre, die die Natur handeln lässt, ohne künstlich einzugreifen. Die „Natur“ war die des Menschen, die einen kranken Körper heilen kann.
Gegen Mitte des letzten Jahrhunderts wurde die Liegenschaft an Stock verkauft, die sie bis zum Ablauf der Bindung als gastgewerblicher Betrieb geschlossen hielt und verwahrlosen ließ.
Die Titelseite von „Natura e Scienza per la salute“, die ab 1926 von Rovetta veröffentlichte Monatsschrift
1940 veröffentlichte Dr. Rovetta das Buch „Verso il naturismo scientifico“, eine Studie über die Naturmedizin und ihre Anwendungen
Quelle für Texte und Bilder: „Fra tisane e SS. La storia della casa di cura Rovetta a Ghiffa“
Dem Ikonographischen Archiv Verbano Cusio Ossola zu verdanken.